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Herbstwanderung

Wanderung am Tag der deutschen Einheit

Was kann ein Nonnenkloster mit einem Militärstandort verbinden? Eine Wanderung!

So geschehen am Sonntag, dem 3. Oktober 2010 in Kummersdorf. Der Verein Pro Mellensee (http://www.promellensee.de)  hatte zu seiner traditionellen Herbstwanderung geladen und 66 Wanderfreunde fanden sich vor dem Kummersdorfer Krug ein. Kurz nach zehn begrüßten Bürgermeister Frank Broshog, Schwester Johanna vom Benediktinerinnenkloster Kummersdorf, Frank Reinhard vom Vorstand vom „Pro Mellensee e.V. die Wanderfreunde. Mit der inoffiziellen Hymne der Mark Brandenburg, “Märkische Heide, märkischer Sand“ wurde der Wandertag eingeleitet. Dank der deutschen Einheit, nehmen jetzt auch regelmäßig Wandergruppen und einzelne Wanderfreunde aus Lichtenrade und andere Stadtbezirken von Berlin teil, die bis 1989 nicht diese Gelegenheit hatten.
Bald wurde die alte Luckenwalder Landstraße von den Wanderern bevölkert, was so manchen Hund hinter den Grundstückszäunen veranlasste, sie mit aufgeregtem Gebell zu begrüßen.  Die Gruppe der 66 querte dabei auch den 66 Seen-Wanderweg rund um Berlin. Das erste Ziel im angrenzenden Wald war die berühmte Kugeleiche. Weshalb sie berühmt ist erklärte Wanderführer Reinhardt: „Weil wir sie so nennen.“
Die Wanderer erblickten einen Baumstamm, der auf Schulterhöhe einen kugelförmigen Auswuchs aufweist. Wer am Baum hochblickte, konnte zunächst annehmen, dass der Baum keine Eiche, sondern doch eher eine Buch sei. Buchenzweige überwucherten die unteren laublosen Äste der Eiche. In der Krone jedoch, waren im Sonnenlicht die typischen Eichenblätter zu erkennen. Prof. Jochen Oehler (pro Mellensee) erläuterte weshalb in der Natur solche Fehlbildungen vorkommen. Äußere Einflüsse durch Insekten, so Oehler,  können ebenso Ursache für solche Fehlbildungen sein wie innere Zellveränderungen.
870 m bis Kloster Kummersdorf zeigte ein Wanderwegweiser an. Tatsächlich erreichte die Gruppe bald das Kloster. Schwester Johanna, die bereits an der Kugeleiche das Herbstlied „Bunt sind schon die Wälder, gelb die Stoppelfelder … angestimmt hatte, informierte hier,  im Zuhause der Benediktinernonnen, über die Geschichte des Klosters und über das Leben im Kloster, bevor sie die Wandernden in die Klosterkirche einlud. 1933 erwarben katholische Schwestern aus Berlin das heruntergewirtschaftete Gut vom Grafen von Schwerin und bereiteten ihr klösterliches Leben vor. 1934 wird das Kloster mit Kapelle geweiht und gilt so als Gründungsdatum der heutigen Abtei St. Gertrud. Einzigartig dürfte sein, dass  die Schwestern, Rote-Kreuz-Schwestern waren und das Kloster nicht von einem anderen Kloster gegründet wurde. Die Schwestern im Kloster leben  nach dem Grundsatz Ora et labora (deutsch: Bete und arbeite) aus der Tradition der Benediktiner. Auf die DDR Zeit angesprochen antwortete die Klosterschwester: „Wir waren gut bespitzelt aber auch geduldet.“

Da an diesem Tag nicht nur die deutsche Einheit gefeiert wurde, sondern auch Erntedank, waren Blumen und Früchte des Herbstes mitten in der Kirche liebevoll arrangiert aufgehäuft. Nachdem die Gäste Platz genommen hatten, konzertierte Schwester Johanna auf der Orgel. Eine Orgel mit über 900 Orgelpfeifen, gebaut von der Jehmlich Orgelbau Dresden GmbH. Zu sehen sind aber nur wenige der Orgelpfeifen, die anderen sind in einen Nebenraum hineingebaut. Die Kirche selbst,  getragen von einer Holzkonstruktion, wirkt sehr modern, durch Oberlichter an beiden Seiten des Kirchenschiffes dringt ausreichend Tageslicht, das Kreuz in der Mitte des Schiffes von der Decke herabhängend prägt den Raum und dann diese Orgel. Kaum jemand würde hier auf die Idee kommen, dass diese Kirche 1984 aus einer Scheune erbaut wurde.
An abgeernteten Feldern, einem Feld mit reifem Mais vorbei führte der Weg zurück nach Kummersdorf. Wer bis hierher genug erlebt hatte, konnte jetzt die Wandergruppe verlassen. Über fünfzig Wanderer ließen sich aber die Gelegenheit nicht entgehen, an einer Führung durch den verbotenen Wald teilzunehmen. Werner Nietschmann vom Förderverein Historisch-Technisches Museum Versuchsstelle Kummersdorf e.V. übernahm hier das Kommando.

Viel hat er, gemeinsam mit anderen Vereinsmitgliedern, über die Geschichte des ehemaligen Militärgeländes zusammengetragen. Im Kaiserreich und in der Nazizeit, so führte Nietschmann aus, wurden hier Eisenbahnpioniere und andere Pioniere ausgebildet. Sie lernten hier am Schumkasee das Überwinden von Flüssen, Sümpfen und Seen im Feindesland. Im ersten Weltkrieg hauptsächlich mit Holzbaukonstruktionen im zweiten Weltkrieg mit Stahl und Beton. Bauelemente wurden hier vorgefertigt. Neben Kasernenbaracken stehen auch noch Überreste von Versorgungseinrichtungen. Am Ufer des Schumkasees sind noch die drei Kammern des Eiskellers zu sehen. Im Winter wurde das Eis auf dem See in Stücke zerhackt und dort in Schichten getrennt durch Streu und Stroh eingelagert.  In der warmen Jahreszeit wurden  mit dem Eis Lebensmittel und sicherlich so manches Bier und nach 1945 auch Wodka gekühlt. Nach 1945 hatte die Rote Armee das Militärgelände genutzt. Ob man in dem See auch Baden könne, fragte eine Teilnehmerin. Mit einem Schmunzeln im Gesicht, informierte der Wanderführer über die militärischen Hinterlassenschaften in diesem See. Munition aller Art sei auf dem Grund zu finden. Beim Abzug der russischen Truppen seien hier noch einmal Gerät und Munition einfach versenkt worden.  Dies veranlasste auch den Fischer Karl König, auch Fischerkalle genannt, diesen See in dem er sechzehn Fischarten nachweisen konnte, aufzugeben. Alle Details der Erläuterungen durch Herrn Nietschmann haben die Wanderer bestimmt nicht gleich behalten. Deshalb lud er auch alle in das Technikmuseum nach Kummersdorf ein. Dort könnten sie mehr über Militärversuche über Nägel in den Stiefel bis hin zum Raketenbauer Wernher Magnus Maximilian Freiherr von Braun erfahren.

Im Gelände gelangten die Wanderer bald zur Pyramide, eine Gedenkpyramide für die gefallenen Pioniere. Die Inschrift:, MORTUOS PLANGO, VIVOS VOCO, FULGURA FRANGO“  - die Toten beklage ich, die Lebenden rufe ich , die Blitze breche ich. Interessanter Weise ist die Reihenfolge des Ausspruchs bei Schillers Glocke eine andere. Dort heißt es „Vivos voco, mortuos plango, fulgura frango“. Zuerst werden hier die Lebenden angesprochen, gemahnt und dann die Toten beklagt, betrauert.
Zwanzig Jahre nach der deutschen Einheit hat sich die Natur einen Großteil der Gleisanlagen, der Gebäude, der Straßen zurückgeholt. Für die Kyritzer  Heide haben die Menschen dies erstritten. Mögen bald alle Militäreinrichtungen von der Natur zurückerobert werden.
DIA-Serie